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Freitag, 28. September 2012

Big Brother's watching you: 1984 Rezension

Der Klassiker. Oder? Ach komm schon, den Spruch kennt ihr doch, spätestens seit der einschlägigen Schundrealityserie.
 
Eigentlich stammt die Figur des Großen Bruds aus George Orwells Roman 1984 (eigtl. neunzehnvierundachtzig), den ich in den letzten Tagen gelesen habe.
 
 
Der Klappentext meiner Ausgabe:
 
"Ozeanien, eine von drei Supermächten, die die Welt untereinander aufgeteilt haben, stützt ein System auf eine Ideologie, die auf der Veränderlichkeit der Vergangenheit beruht. Im Ministerium für Wahrheit, das für die Verfälschung der Geschichte nach Parteilinie zuständig ist, arbeitet der 39jährige Winston Smith. Eine Liebesaffäre mit Julia, Technikerin an einer Romanschreibmaschine und Aktivistin der Anti-Sex-Liga, wird für Winston zu einem Akt des Widerstands gegen das System. Trotz ständiger Überwachung durch die Gedankenpolizei können die beiden sich heimlich in einem Zimmer in dem überwiegend von "Proles" bewohnten Teil Londons treffen. Dort lernen sie auch den Widerstandskämpfer O'Brien kennen, der ihnen ein Buch von Emmanuel Goldstein gibt, dem Feind und Gegenstand des Volkshasses. Der Glaube, in ihrer Liebe innere Freiheit zu erlangen und durch die Lektüre des "geheimen Buches" das Wesen ihrer Gesellschaft verstanden zu haben, erweist sich als Trugschluss. Denn irgendwann gewinnt der "Große Bruder" auch Macht über Winston..."
 
Man sollte sich bewusst machen: Dieses Buch wurde 1948 geschrieben, '49 in Amerika (oder England?) veröffentlicht. Die Nachwirkungen des zweiten Weltkrieges und Einfluss des Kalten Krieges ziehen sich durch das ganze Buch und eigentlich hätte der Untertitel heißen müssen: "1984 - diese Geschichte ist frei erfunden. Parallelen zur Sowjetunion der 30er Jahre sind zufällig. Ehrlich jetzt."
 
Der gesellschaftliche Rahmen ist beeindruckend - es gibt die Länder Ozeanien, Eurasien und Ostasien.
 
 
 
Die uns bekannte Sprache -Altsprech- wird durch Löschung tausender Wörter neu formiert und zu Neusprech. Doppeldenk ist die vorherrschende Mentalität und beweist sich schon in den Regierungsgebäuden: Das Ministerium für Frieden befasst sich mit Krieg, das Ministerium für Wahrheit mit Verschleierung, das Ministerium für Liebe mit Folter und das Ministerium für Überfülle mit Hungertod.
Weiter hinten im Buch gibt es auch eine faszinierende Abhandlung, wie Kriege, die sinnlos scheinen, dazu da sind, die Ressourcen zu verbrauchen, um die arme Bevölkerung erfolgreich zu unterdrücken.
 
Ich habe das Buch vorhin in der Bahn zu Ende gelesen und vermutlich eine ganze Reiher anderer Fahrgäste Grund zur Besorgnis gegeben, als ich es plötzlich zuschlug und anfing, Grimassen zu ziehen. Es ist ein guter Roman, keine Frage. Nur, wenn man ihn beendet hat, überfällt einen eine tief sitzende Hoffnungslosigkeit. Es gibt kein Happy End, aber es wäre auch ein bisschen viel verlangt, auf nichtmal 400 Seiten eine Gesellschaft umzustürzen. Nicht nur das - es gibt keine Lösung, kein befriedigendes Ergebnis, keinen platzenden Knoten. Nur Leere. Erst in diesem Moment, wo ich das hier schreibe, merke ich, dass dies das einzige und perfekte Ende für 1984 ist. 1984 beschreibt eine Gesellschaft, indem es für die Menschen keine Hoffnung gibt, keine Freude, keine Zukunft. Es ist ihnen nicht erlaubt, etwas zu fühlen, außer Fanatismus und ergebenem Glauben in ihre Parteidogmen.
1984 schafft es, in seinem Stil, seiner Handlung, seinen Charakteren, dieselbe drückende Ergebenheit und Ödnis im Leser zu erwecken wie in seiner Bevölkerung und dennoch den Glauben an Rebellion: Da muss doch mehr sein!
Bravo!

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