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Samstag, 1. Dezember 2012

Halima Rezension

Vor kurzem habe ich euch erst Nomadentochter vorgestellt, wodurch ich mein Interesse für diese Art Bücher entdeckt habe. Diesmal rezensiere ich "Halima. Mein Weg aus der Hölle von Darfur" von Halima Bashir und Damien Lewis. Unten findet ihr eine Zusammenfassung der Darfurkonflikts, die ich euch nur ans Herz legen kann.


Deutsche Ausgabe

 Titel: Halima. Mein Weg aus der Hölle von Darfur
Originaltitel: Halima
Autor: Halima Bashir und Damien Lewis
Erschienen: September 2008
Verlag: Droemer
Länge: 424 Seiten





" >>Darfur. Ein Wort, das mit Blut und Leiden getränkt ist. Ein Begriff, der schrecklichste Bilder heraufbeschwört, Schmerzen und Grauen, die in der zivilisierten Welt unvorstellbar wären. Aber für mich ist Darfur auch noch etwas anderes: Es ist meine Heimat.<<
Im Jahr 2005 gelingt der jungen Ärztin Halima Bashir die Flucht aus dem Sudan. In einem der grausamsten Kriege unserer Zeit erlebte sie Leiden und Tod unzähliger Menschen, wurde Zeugin und schließlich auch Opfer von Folter und brutalem Missbrauch - denn sie hat es gewagt, sich aufzulehnen gegen den Terror.
Nun erzählt sie ihre Geschichte."

So viel zum Klappentext. Bereits im Prolog erklärt Halima, dass sie unter einem Pseudonym schreibt, dass das Cover nicht sie selbst zeigt und auch auf den beigelegten Bildern sieht man nur ihre Augen. Sie hat Angst, auch in England gefunden und umgebracht zu werden. Möglichweise hält der ein oder andere das für übertrieben, aber ich kann sie verstehen. Ich glaube zwar nicht, dass sie sich in unmittelbarer Gefahr befindet, denke aber, dass sie alles mögliche tun sollte, um sich sicher und geborgen zu fühlen.
Halimas Geschichte geht an die Nieren und das auf zwei Wegen. Der erste ist klar: sie erzählt von ihrem Leben im Sudan, von den Gräueltaten der arabischen Armeen gegen die schwarzen Stämme.
Halima wächst relativ behütet als Kind der Zaghawa auf. Ihr Vater ist nicht nur verhältnismäßig reich, sondern auch progressiv - er denkt, dass eine Frau in der Lage sein muss, für sich selbst zu sorgen und schickt Halima auf die Schule. Hier kommt sie zum ersten Mal mit den Rassenunterschieden in Berührung. Die arabischen Mädchen hänseln sie, erniedrigen sie und auch die Lehrerinnen und die Direktorin - fast alle Araberinnen - machen deutlich, was sie von Afrikanerinnen an ihrer Schule halten.
Halima beißt sich durch und schafft es bis zur Ärztin. Wegen ihres hitzigen Gemüts, fällt es ihr schwer, die Ungerechtigkeiten der Welt mit anzusehen und spätestens als der Krieg ausbricht und sie als 'Rebellenärztin' bekannt wird, gerät sie in die Schusslinie. Selbst, als sie in ihr Dorf zurückkehrt, wird sie von Grausamkeiten nicht verschont.

Wem nicht speiübel wird, während er das Buch liest, fehlt es offensichtlich an Feingefühl. Die Schandtaten werden genau beschrieben - Schülerinnen im Alter zwsichen 7 und 13 werden von der arabischen Armee vergewaltigt, während die Polizei das Haus umstellt, das niemand eingreifen kann. Dörfer, in denen es nicht mal Strom gibt, werden mit Hubschraubern bombardiert und sogar Babies umgebracht, indem man sie ins Feuer wirft. Immer wieder wird einem schlecht, wenn man liest, wozu der Mensch fähig ist.

Aber es gibt noch einen zweiten Weg, auf dem Halima den Leser schockiert. Er ist sehr subtil und wirkt erst richtig am Ende, aber gerade für mich war es ein Schlag ins Gesicht.
Am Anfang schreibt sie, dass sie 1979 geboren ist, das ist die einzige Jahresangabe, die man während des ganzen Buches erhält. Immer wieder sagt sie, wie alt sie gerade ist, aber wenn man nicht rechnet, verliert man es schnell aus den Augen. Im Nachwort dann führt sie die weitere Entwicklung im Sudan auf und unterschreibt mit:
Halima Bashir
2008
 
Ich fühlte schrecklich. Das ganze Buch über dachte ich, wie furchtbar das damals war und dass sich kein Mensch dafür interessiert hat und dann ist es erst vor wenigen Jahren passiert??? Kein Mensch spricht darüber, was in Darfur passiert, der Konflikt ist schon längst vergessen. Ich gebe niemandem die Schuld dafür, ich hatte auch keine Ahnung.

Halima ist in Deutschland nicht annähernd so bekannt wie etwa Wüstenblume, zu Unrecht, wie ich finde. Ich kann jedem empfehlen, ob er sich nun für die Materie interessiert oder nicht, Halima zu lesen.

Wertung:

    
Volle Punkzahl


Hintergrund:
Hier habe ich eine historische Zusammenfassung des Konflikts gefunden, die der Amazonkunde B.Hoffmann ausgezeichnet geschrieben hat.

Worum geht es in Darfur? [...]
Der Völkermord in Darfur war der vorerst letzte Völkermord in der Menschheitsgeschichte mit mindestens 300 000 Opfern. Dennoch erhielt dieses Menschheitsverbrechen der sudanesischen Regierung unter Diktator General Omar Hassan Al Bashir wenig Aufmerksamkeit und ist heute schon wieder in Vergessenheit untergegangen.

Über 1,5 Millionen Menschen sind in den Tschad geflohen, eine Million Flüchtlinge innerhalb Darfurs.
Der Ursprung der humanitären Katastrophe liegt in einer von der sudanesischen Regierung betriebenen Kampagne der "ethnischen Säuberung", die sich gegen Zivilisten dreier ethnischer Gruppen richtet. Nur wenn auch die Menschenrechtslage bedacht werde, können Geberländer darauf hoffen, dass die humanitäre Krise gelöst werde. Sofort benötigte humanitäre Hilfe allein reicht nicht aus: Die ethnischen Säuberungen der sudanesischen Regierung müssen ein Ende nehmen. Milizen - als Janjaweed bekannt -, die von der sudanesischen Regierung bewaffnet, ausgebildet und entsendet worden sind, überfielen und brannten Hunderte von Dörfern nieder, töteten Tausende von Zivilisten, raubten Hunderttausende Tiere und zerstörten Landwirtschaftsgüter und Wasserressourcen. Die Milizen wurden auf dem Landweg von der sudanesischen Armee und aus der Luft von Antonow-Flugzeugen und Kampfhubschraubern unterstützt. Dieses Bündnis zielt auf Zivilisten der ethnischen Gruppen der Fur, Masalit und Zaghawa ab, da die Rebellen aus Darfur ihre Mitglieder aus diesen drei Bevölkerungsgruppen rekrutieren. Nach den Angriffen hatte die sudanesische Regierung die überlebende Zivilbevölkerung daran gehindert, in ihre Häuser zurückzukehren.

Die Ziele der Rebellenorganisationen Befreiungsbewegung Sudans (SLA) und Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (Justice and Equality Movement, JEM) sind sehr unterschiedlich. Interessant ist hier aber vor allem wie hier mit Stereotypen um sich geworfen wird. Auf der einen Seite bezeichnet sich die sudanesische Regierung als islamisch, ermordet auf der anderen Seite aber Tausende von Muslimen. Auf der anderen Seite bezeichnet die Regierung gegenüber den westlichen Medien die JEM als verlängerten Arm der "Islamisten" und schon klingelten bei den Politikern der USA die Alarmglocken, ganz nach dem Moto ein Krieg gegen "Islamisten" muss ein guter Krieg sein.
Der Konflikt ist vielfältig, generell kann man ihn aber darauf vereinfachen dass "arabische" Nomaden, die Wasser- und Weideland für ihre Tiere brauchen, gegen "afrikanische" Bauern kämpfen, die die kargen Erträge ihres Bodens schützen wollen. Regierungstruppen unterstützen die "Araber" nach Kräften, die Bauern wiederum tun sich mit den Aufständischen zusammen. So vielfältig die Interessen sind, so eindeutig leidet vor allem die Zivilbevölkerung unter ihnen.

Ich denke, der Konflikt nützt in erster Linie der sudanesischen Regierung die so ihre "widerspenstige" Bevölkerung los wird. Der Konflikt nützt den Janjawid die sich bereichern. Der sudanesische Staat wird natürlich von Erdölfirmen unterstützt. Auch von uns ganz bekannten. Das Engagement der österreichischen ÖMV endete erst nach massivstem Protest. Im Gegensatz aber zu Staaten wie etwa Nigeria, in dem Shell hinter angeblichen ethnischen Unruhen steckte, spielen ausländische Interessen, wenn überhaupt, eine zweitrangige Rolle. In erster Linie sind die Janjawid und die sudanesische Regierung für den Völkermord verantwortlich.

Seit Barack Obama Präsident der USA ist hat sich die Lage im Sudan verändert. Er hat unmissverständlich klar gemacht dass der Sudan die Unabhängigkeit (97% der Südsudanesen stimmten für einen eigenen Staat) anerkennen muss. In Darfur sieht die Lage schlechter aus. Es gibt zwar seit 2009/10 keine Massenmorde mehr und seit 2010 auch einen Waffenstillstand. Vergewaltigungen der Flüchtlinge und Überfälle auf Dörfer mit Toten sind aber noch an der Tagesordnung!

So wurden am 10. Februar 2010 zwei Flüchtlinge getötet und mindestens zehn weitere Menschen verletzt, als Janjaweed-Milizionäre Camps in der Nähe der Stadt Kass in Süd-Darfur überfielen. Viele Hütten wurden bei dem Überfall geplündert und niedergebrannt. Am 2. September 2010 wurden in dem Dorf Tabra (Nord-Darfur) 64 Menschen von Janjaweed ermordet. Dazu kommen nun auch erstmalig Kämpfe zwischen den arabischen Nomadenstämmen untereinander.
Auch 2011 gibt es dutzende Berichte von Menschenrechts- und Hilfsorganisationen über Vergewaltigungen von Frauen/Mädchen durch Janjaweed und sudanesische Regierungssoldaten. Die internationale Gemeinschaft interessiert sich wenig für die Kritik der Darfuris und setzt stattdessen auf leere Versprechungen Khartums, denen leider keine Taten folgen", kritisierte etwa der Darfur Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker Herr Ulrich Delius.
Die Argumente des sudanesischen Diktators und Massemörders Bashir sind idiotisch "eine ausländische Verschwörung" sei für den Aufstand im Westen des Landes verantwortlich und die 2,5 Millionen Flüchtlinge die in Afrika übliche Landflucht! Die Lebenssituation der Menschen ist erbärmlich und von drohender Gewalt geprägt. Hoffnung gibt es aber wenig. Dieses Buch ist für mich ein Plädoyer für das Eingreifen bei Völkermorden. Hätte nur die Welt 2003/04 nicht tatenlos weggesehen... (von B.Hoffmann)

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